Einstieg in Virtual Reality – Teil 3 – Erste Schritte mit der Samsung Gear VR

Link zu Teil 2 meiner VR-Reihe

Vorab: Heute früh sah ich über mein Twitternetzwerk den Hinweis auf diesen Blogartikel mit großer VR-Expertise von Donald Clark, den ich sehr empfehlenswert finde.

Jetzt aber zu meinem Test mit der Samsung Gear VR auf Anfängerniveau: Nachdem ich die Cardboard-Brille ausprobiert hatte und das Thema VR extrem spannend fand, war der nächste naheliegende Schritt die Samsung Gear VR-Brille – auch noch bezahlbar und ein passendes Samsung S6 hatte ich ja schon. Die verschiedenen Modelle der Samsung Gear zu unterscheiden, ist schon eine Wissenschaft für sich – ich habe mir jedenfalls die erst vor ein paar Tagen im August anlässlich des Note7 neu erschienene (dritte Version?) SM-R323 gekauft. Die beigefügte winzige Papier-Anleitung fand ich ziemlich unverständlich; die Konfig wäre auch einfacher gewesen wenn ich vorher diese Samsung-Webseite gesehen hätte.
Wieder mal eine Registrierung erforderlich, diesmal bei Oculus, um später dort nicht nur einzukaufen, sondern auch viele Freunde im Netzwerk zu haben… Da man am Ende der Konfig direkt im Store landete, habe ich mir gleich eine kostenlose App heruntergeladen: Mehr oder weniger zufällig bin ich auf die Timemachine Städel-App gestoßen (174 MB Download), was sich später (bis dato hatte ich ja noch nicht mal irgendetwas durch die Brille gesehen – die Konfig erfolgte außerhalb der Brille direkt auf dem Handy) als Glückstreffer erwies.

Beim anschließenden ersten Benutzen – wenn man das Handy wieder in die Samsung Gear VR einlegt und die Brille aufsetzt, startet automatisch die Gear-App auf dem Handy – musste man erst einmal durch ein Tutorial, was das Touchpad der Brille sowie die weiteren Tasten erklärte (sehr sinnvoll sind auch die Lautstärke-Tasten). Diese Steuerungsmöglichkeiten und der gute Sitz der Brille sind sicherlich schon ein großer Vorteil gegenüber der Cardboard und sollten deutlich zum Gefühl der Immersion beitragen.

Die Gestaltung der Home-Seite ist bei Samsung schon deutlich schöner als die Startseite der Cardboard-App. Ohne WLAN kann man über die Menüs der Startseite allerdings zunächst nicht viel machen außer sich die eigenen Handy-Fotos auf einer „Großleinwand“ anschauen (und sich leider auch bei der Samsung Gear VR erstmal über die ungewohnt „schlechte“ Bildqualität durch Rasterung etc. erschrecken). Somit war es gut, dass ich schon die Offline-Städel-App hatte, die in Zusammenarbeit mit Samsung entstanden ist und daher natürlich entsprechend beeindruckend ist. Ich empfehle im ersten Stock die Variante des „Freien Erkundens“ zu wählen – schon beim Betreten des Museums habe ich etwas Adäquates wie den Bosch-Fisch zur Orientierung vermisst (oder ein Audio für Richtungshinweise) und war dann oft nicht synchron mit der Tour-Laufrichtung. Davon abgesehen, finde ich die App (die ja auch stark etwas mit dem Bildungskontext zu tun hat) sehr, sehr gut. Als eine Art Vorläufer würde ich die „Dresden Gallery“ mit der Gemäldegalerie Alter Meister sehen, die es zwischen 2007 und 2011 in SecondLife gab. Eine erste VR-Erkenntnis ist auf jeden Fall, dass man sich abgewöhnen muss, die üblichen (offenbar schnellen) Kopfbewegungen zur Orientierung in einem Raum zu machen, weil es bei detailreichen Räumen/Umgebungen sonst extrem anstrengend für die Augen ist. Die mit der Cardboard getestete künstliche Arktis-Umgebung mit dem großen Polarfuchs und den Küstenseeschwalben hingegen war ja vergleichsweise leer und somit waren schnellere Kopfbewegungen dort beim S6 kein Problem.

Neugierig war ich auch auf die Abspielqualität von 360°-YouTube-Videos und war doch sehr erstaunt, dass das von Haus aus nicht vorgesehen ist und man sich dazu eine zusätzliche App namens „Samsung Internet“ laden muss, die dann ins Home-Menü integriert wird. Bei mehreren Versuchen mit den in Teil 2 beschriebenen Harvard- und Trinity-Videos hatte ich gefühlt eine deutlich schlechtere Bildqualität als mit der Cardboard-Brille und direkter Nutzung der YouTube-App. Der Weg von „Samsung Internet“ über ein YouTube-Icon und eine (nachdem ich sie endlich gefunden hatte) Bildschirm-Tastatutur zum Auffinden gewünschter Videos war dazu noch recht weit.
Was ich wirklich aber sehr enttäuschend fand, war die Erkenntnis, dass ich nicht einfach wie bei der Cardboard-Brille Android-VR-Apps auf dem Handy starten, dann das Handy in die Brille einlegen und diese Apps nutzen kann. Beim Aufsetzen der Samsung Gear VR startet nämlich stets automatisch aufgrund des Brillen-Näherungssensors das Handy-Display (was eigentlich praktisch ist), aber eben auch genauso automatisch die Samsung-App, womit man im Samsung-Universum festhängt. Erste Google-Suchen ergaben zwar Hinweise auf diverse fremde Apps, die da Abhilfe schaffen, aber das habe ich noch nicht ausprobiert. Samsung hat mittlerweile einen riesigen Anteil am Handy-Markt (s.a. Heise-Artikel vom 19.8.2016), aber sowas muss doch wirklich nicht sein.

Und um mit einer positiven Botschaft diese ersten Eindrücke abzuschließen: Immerhin gibt es bei Samsung Oculus eine downloadbare Flickr-VR-App, womit man sehr einfach auf 360°-Fotos von hoher Bildqualität zugreifen kann.

Das Highlight meines ersten „Samsung Gear VR“-Tests war ganz klar die Städel-Zeitreise-App: Wer die Samsung Gear VR bereits nutzt und diese kostenlose App, die erst am 24.8.2016 erschienen ist, noch nicht kennt, sollte sie mal ausprobieren.

Einstieg in Virtual Reality – Teil 2 – Cardboard

Am 22. August 2016 erschien wieder eine Ausgabe der c’t wissen zum Thema „Virtual Reality“ (Link zu heise) – incl. Cardboard-Brille für 12,90 Euro –  das empfand ich als einen sehr bezahlbaren Einstieg ins Thema. Das Heft liefert übersichtlich Einiges an Grundwissen zu VR, doch für mich war v.a. die mitgelieferte Brille interessant, um VR einmal niederschwellig selbst ausprobieren zu können. Also die Papp-Brille zusammengefaltet, die Google „Cardboard“-App von Android mit diversen Demos installiert und auf zum Testen mit 2 Handys: LG G2 sowie Samsung S6.
  • Cardboard-App
Mit dem LG G2 (Android 5) stellte sich zwar ein gewisser Aha-Effekt bei den Demos („Reise in die Arktis“, Ausstellung mit 3D-Objekten) ein, doch irgendwie erinnerte mich das Ganze sehr an frühere SecondLife-Erlebnisse, wo beim Bewegen erstmal die Landschaft generiert wurde, denn genau das passierte auch mit dem LG: pixeliger Aufbau und ein (wegen der zu geringen Handy-Auflösung – Full HD reicht da nicht wirklich) extrem gerastertes Bild. Ein viel besserer, flüssiger Eindruck hingegen dann schon mit dem Samsung S6: hier weder Pixel, die sich aufbauten, noch ein aufdringliches Raster. In der Cardboard-App sind zum Offline-Testen auch Anwendungsmöglichkeiten wie Reiseführer (Versailles-Besuch) und – wenn man online geht – Google-Earth-Ansichten von z.B. Zermatt: Von der Idee her gut, aber von der „Bildqualität“ her fand ich das noch nicht überzeugend.
  • Bosch VR-App/ Dive City Rollercoaster-App
Sehr flüssig lief die im c’t wissen empfohlene „Bosch VR“-App (s.a. http://www.bdh.net/work/boschvr/) mit dem kostenlosen Teil „Garden of Eden“, wenngleich das S6 dabei schnell ziemlich heiß wurde (Mit dem LG G2 ging es auch, wenngleich das Bild hier etwas mehr gerastert war). Die Idee ist klasse und wer Hieronymus Bosch kennt, reist hier langsam durch ein bekanntes Gemälde. Es lohnt sich ebenfalls, die kostenlose schnellere „Dive City Rollercoaster“-App anzuschauen – da bin ich gespannt, wie sie auf der Samsung-Brille wirken wird – allerdings hatte ich hierbei nach dem Cardboard-Erlebnis erstmal Augen-/Kopfschmerzen. Einen Tag später, weil ich auch schon wusste, was auf mich zukommt, ging es aber ohne Probleme – Es empfiehlt sich übrigens (wie bei vielen VR-Apps) das Sitzen auf einem Drehhocker …
  • 360°-Videos
YouTube hat auf der Startseite einen direkten Link zu 360°-Videos – das lässt auf Nachfrage schließen. Und es finden sich dort natürlich jede Menge Videos mit den verschiedensten Inhalten.
Für den Edu-Kontext getestet habe ich das inhaltlich gut gemachte Promo-Video von „Harvard CS50VR“ (1:26 min): https://www.youtube.com/watch?v=DXKjPvPqPEA
Das Sanders Theatre ist ja wirklich sehenswert (wovon ich schon damals im Justice-MOOC auf edx einen Eindruck bekam) und mit VR-Brille und 360°-Video ergibt sich ein ganz anderes Raumgefühl (beim Starten des Videos auf das Cardboard-Icon klicken). Allerdings würde ich selbst mit Samsung S6 da nicht mehr als 2 Minuten zuschauen wollen; das erscheint mir, jedenfalls nach erstem Eindruck, viel zu anstrengend. Ich bin aber gespannt auf das CS50VR-Harvard-Projekt bei edx, und ob es da wirklich lange 360°-Videos geben wird.
Für den Raumeindruck hervorragend geeignet finde ich auch dieses Trinity-College-Video: https://youtu.be/WQvHH-u9W5w – eigentlich soll damit ja „spatial audio“ im Rahmen von immersive videos demonstriert werden, aber das konnte ich nicht so nachvollziehen, obwohl ich mein In-Ear-Kabel dafür auch noch zwischen die Pappe gequetscht hatte.
Wie gut oder schlecht man derzeit mit geringen finanziellen Mitteln solche 360°-Videos selbst erstellen kann, ist die Frage und das werde ich wohl erstmal nicht testen – in meinem Teil 1 hatte ich diesbzgl. auf ein Heise-Video verwiesen.
  •  360°-Fotos
Was zum Selbstproduzieren und Ansicht mit der Cardboard-Brille dann schon eher geht, sind 360°-Fotos; hier ergab sich beim LG G2 mit der ebenfalls kostenlosen „Cardboard Camera“-App sogar ein erstaunlich gut erkennbares selbst erzeugtes Bild – jedenfalls gefühlt optisch „nicht viel schlechter“ als das Versailles-Beispiel. Die eigenen Qualitätsansprüche an Fotos muss man bei VR ja sowieso deutlichst zurückschrauben?! Hier die besagte LG-Eigenproduktion (ca. 4MB), vor einigen Tagen abends am Rein in Mannheim aufgenommen. Mit Cardboard-Brille nur nach Download aufs Handy und über die App „Cardboard Camera“ als 360°-Bild nutzbar – wichtig ist das Beibehalten der Dateiendung „*.vr.jpg“:
Da diese Bilder aus der Hand in einem Stück gemacht werden, stellt sich die Frage, ob man nicht auch normale bereits erstellte Panorama-Fotos in ein vr.jpg-Format „umwandeln“ kann? Ein Beispiel aus dem letzten Urlaub (passenderweise Zermatt…) zeigt, dass die Bildqualität recht gut werden kann – allerdings sind wir da schon bei 10MB. Die c’t wissen nennt die Webseite „Cardboard Camera Toolkit“ zwar für einen anderen Zweck, aber über den Menüpunkt „Join“ kann man zwei bereits erstellte Panoramabilder (notfalls zweimal das gleiche anstatt einem für das linke und einem für das rechte Auge) hochladen und bekommt ein für die App „Cardboard Camera“ geeignetes vr.jpg zum Download heraus. Mit Cardboard-Brille nur nach Download aufs Handy und über die App „Cardboard Camera“ als 360°-Bild nutzbar – wichtig ist das Beibehalten der Dateiendung „*.vr.jpg“:
Fazit: Bei aller Kritik, die nun gleich folgt: Wer sowieso schon ein neueres Android-Handy hat, sollte trotzdem einfach mal VR mit einer Cardboard-Brille ausprobieren – dann lohnt sich das Preis-Leistungsverhältnis unbedingt.
Mit der Cardboard-Brille bekommt man einen sehr guten ersten Eindruck der Möglichkeiten, aber es scheint mir nichts für längere Anwendungen zu sein. Da das Handy nur in einer Papphülle liegt, hat man keine Steuermöglichkeiten außer mit der Hand durch die Lücke in der Brille auf das Display zu tippen, was keine befriedigende Navigation darstellt. D.h. man muss das Handy ständig herausnehmen und wieder hineinlegen, um die App zu wechseln oder sich etwas Anderes anzusehen. Die Cardboard-App hat ein hübsches Startmenü, zu dem man zurücknavigieren kann, indem man die Brille um 90° dreht, aber man kommt darüber halt nicht zu fremden Apps. Für eine Anwendung im Edu-Bereich wäre die Cardboard kostenmäßig sicherlich zuzumuten, aber mir stellt sich nach ersten Tests die Frage „wer hat schon ein Android-Smartphone, was dann technisch auch wirklich so leistungsfähig ist, dass man bei Apps nicht nur Pixelaufbau oder ziemlich viel Raster sieht…?“ Das LG G2 (erschienen im September 2013 und damals das Flaggschiff von LG) jedenfalls wäre für einige Anwendungen wohl nicht mehr optimal.
… Demnächst folgt Teil 3 – dann mit meinem Testbericht zur „Samsung Gear VR“.

Einstieg in Virtual Reality – Teil 1

Den Begriff „Virtual Reality“ (VR) gibt es schon eine ganze Weile, doch derzeit (2015/2016) erfährt das Thema VR durch weiterentwickelte Technikmöglichkeiten einen Höhenflug. Bislang eher etwas für die Gamer-Welt, ist durch die Pappbrille „Google Cardboard“ und zuletzt die neue „Samsung Gear VR“-Brille Einiges in Bewegung gekommen: Nun reicht im Falle von Google Cardboard theoretisch ein Android-Smartphone (dazu später) oder iPhone sowie im Falle der Samsung Gear VR ein aktuelles Samsung-Handy (S6 aufwärts).
  • Interessante aktuelle Zahlen aus Ergebnissen einer repräsentativen Bitkom-Befragung zu VR liefert diese Pressemeldung vom 8.7.2016:  https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Virtual-Reality-wird-immer-bekannter.html
  • Im Horizon Report Higher Education 2016 (Link) ist das Thema Virtual Reality natürlich auch vertreten; wie im Report vom Vorjahr (Stichwort Wearables) noch im „Time-to-Adoption“-Zeithorizont 2-3 Jahre.
  • Abgesehen von diversen Forschungs- und Einzelprojekten ist das Thema VR aus Kostengründen derzeit an Hochschulen noch nicht präsent oder gar massentauglich.
Vor meinen eigenen Testberichten etwas Theorie zu VR – empfehlen kann ich diesen Überblicks-Artikel auf Heise, wenngleich seit März 2016 die Entwicklung natürlich schon wieder weitergegangen ist:
Die dortige Einordnung der Headsets in 3 Klassen (von low-cost bis premium VR) bringt Klarheit in den etwas unscharfen Begriff VR:
  1. Mechanische Smartphone-Halterungen (v.a. Google Cardboard)
  2.  Smartphone-Halterungen mit eingebauter Elektronik zur Steuerung (Samsung Gear VR etc.)
  3. VR-Headsets mit eigenem Display (Oculus Rift, htc Vive, ab Oktober Sony Playstation VR etc.) – zwingende Verbindung zu einem leistungsstarken PC (bzw. bei Sony zur PS4), teils mit Hand-Controllern zur direkten Interaktion in der VR (htc Vive)
Anwendungen sind nicht nur Spiele oder in Echtzeit generierte virtuelle Welten, sondern auch 360°-Videos werden ins Themenfeld eingeordnet. Zum Selber-Herstellen erscheinen mir diese eher noch schwierig/teuer und die schönen YouTube-360°-Videos sind dann wohl eher doch nicht mit den kleinen (360°-)Kameras erstellt, sondern mittels einer Kopplung mehrerer Action-Kameras (Kamera-Rig mit z.B. 8 GoPros) oder teurerer System-Kameras.
Soweit die Theorie – in den folgenden Blogbeiträgen werde ich über meine eigenen Tests mit „Google Cardboard“ und „Samsung Gear VR“ berichten.